Urteile im Baumafia Prozess gesprochen - Landgericht Bonn, 29 KLs 05/14

Im sogenannten Baumafia-Prozess des Landgerichts Bonn, 29 KLs 05/14, wurden am 23. Dezember die Urteile verkündet und mündlich begründet:


Die Wirtschaftstrafkammer hat den Hauptangeklagten S zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten sowie die übrigen Angeklagten - jeweils wegen Beihilfe - zu mehrmonatigen Freiheitstrafen, die nach der Überzeugung des Gerichts sämtlich noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnten, verurteilt. Dabei hat das Gericht zusätzlich gemäß § 56b Strafgesetzbuch (StGB) jedem Gehilfen Bewährungsauflagen erteilt, nämlich entweder gemeinnützige Leistungen zu erbringen (Angeklagten Sch / P / V) oder einen Geldbetrag (24 Monatsraten zu jeweils 50 Euro) an die Staatskasse zu zahlen (Angeklagter K). Begründet wurden diese Auflagen mündlich damit, dass die Bewährungsstrafen ansonsten für die Gehilfen wie ein gefühlter Freispruch wirkten, wenn diese keine unmittelbaren Einschnitte spürten.


Der Angeklagte D, der ausschließlich buchhalterische Aufgaben erledigte, wurde teilweise freigesprochen und im Übrigen als Einziger lediglich zu einer Geldstrafe von nur 90 Tagessätzen verurteilt. Er gilt damit nicht als vorbestraft, selbst wenn sein Urteil rechtkräftig wird.


Das Gericht bezifferte den verursachten Gesamtschaden auf insgesamt knapp 4.3 Millionen Euro zu Lasten diverser öffentlicher Kassen und des Steuerzahlers.



BLAZEVSKA & Partner haben für ihren Mandanten P, den das Gericht als eine Art Personalvorstand im Gesamtunrechtskonzern ansieht, gegen das Urteil bereits Revision zum Gerichtshof (BGH) eingelegt. Die Begründung der Revision erfolgt dann, wenn und soweit das Gericht seine schriftlichen Urteilsgründe bekannt gemacht hat. Gemäß § 275 Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO) hat das unverzüglich zu erfolgen. Da vorliegend jedoch 23 Hauptverhandlungstage stattgefunden haben, hat das Gericht dafür bis in den März 2015 Zeit.


Befremdlich an den mündlichen Ausführungen des Vorsitzenden Richters Dr. Marc Eumann in Richtung unseres Mandanten, des Angeklagten P, war, dass Dr. Marc Eumann diesen öffentlich für seine Verteidigungsstrategie, nämlich als Einziger bis zum Ende der Beweisaufnahme zu schweigen, kritisierte.


Unser Mandant P habe damit gegen seine (Dr. Marc Eumanns) „goldene Regel Nr. 2“ verstoßen, nämlich sich dem Gericht als Täter umfassend und so früh als möglich zu offenbaren, wie es die übrigen Angeklagten getan hätten. Damit habe unser Mandant sich selbst ins Knie geschossen. Ihm (Dr. Marc Eumann) als Vorsitzender Richter stehe es zwar grundsätzlich nicht zu, es zu hinterfragen, wer für den Angeklagten P und dessen Verteidigungsstrategie verantwortlich sei; letztendlich aber sei jeder Angeklagte selbst dafür verantwortlich.


Vorliegend habe sich das Gericht daher wegen Verstoßes gegen die goldene Regel Nr. 2 nicht in der Lage gesehen, statt einer Freiheitsstrafe auf eine Gesamtgeldstrafe erkennen zu können.


Mit diesen Äußerungen machte das Gericht mehr als deutlich, dass es im Hinblick auf unseren Mandanten befangen ist: Wäre es rechtlich möglich gewesen, dieses Gericht hätte unseren Mandanten wohl mit Wonne wegen Auswahl, Zusammensetzung und insbesondere Verhalten seines Verteidigerteams eine günstige Sozialprognose und damit die Strafaussetzung zur Bewährung verweigert. Angesichts des tadellosen Vorverhaltens unseres Mandanten, der bislang nie strafrechtlich in Erscheinung getreten war, ist das jedoch objektiv unmöglich.


Hintergrund dieser Vorsitzenden-Schelte war eine schwelende Auseinandersetzung, welche vornehmlich zwischen einem der Verteidiger des Angeklagten P, Herrn Rechtsanwalt Philipp Berger, und dem Vorsitzenden Richter Dr. Marc Eumann über die strikte Verweigerung des Gerichts, § 257 c StPO auf den vorliegenden Fall anzuwenden, ausgetragen wurde. Diese Norm gestattet es dem Gericht, sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens zu verständigen. Nach § 257 c Absatz 2 StPO soll dabei Bestandteil jeder Verständigung ein Geständnis sein. Das Gericht maßgeblich durch seinen Vorsitzenden Dr. Marc Eumann verlangte jedoch von unserem Mandanten zunächst eine umfassende Einlassung, um anhand dieser dann überhaupt entscheiden zu können, ob die Voraussetzung des § 257 c StPO („geeigneter Fall“) vorläge.


Diese Herangehensweise an das Verfahrensrecht veranlasste den Angeklagten P am 28. Oktober durch seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Philipp Berger, einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Dr. Marc Eumann sowie den Richter am Landgericht Dr. Kai Thum zu stellen.


Zuvor, am ersten Verhandlungstag, hatte Herr Rechtsanwalt Philipp Berger bereits eine Besetzungsrüge nach § 222b StPO erhoben und im weiteren Verfahrensverlauf auch diverse andere Anträge gestellt. Seinen Schlussvortrag (Plädoyer) hatte Herr Rechtsanwalt Philipp Berger für den Fall der Verurteilung mit Hilfsbeweisanträgen garniert sowie zuvor immer wieder Maßnahmen der Verhandlungsleitung durch den Vorsitzenden gemäß § 238 Absatz 2 StPO beanstandet, so dass im Ergebnis über die Entscheidungen des Vorsitzenden Richters per Gerichtsbeschluss durch das gesamte Gericht nochmal entscheiden werden musste.


Frau Rechtsanwältin Blazevska als weitere Verteidigerin hatte zudem mehrfach der Verwertung bestimmter Beweisergebnisse zu Lasten unseres Mandanten widersprochen. Im Ergebnis haben BLAZEVSKA & Partner damit die Präklusion bestimmter Verfahrensrügen im Hinblick auf die ausstehende Revisionsbegründung verhindert. Der BGH also kann und wird darüber abschließend entscheiden, ob das Gericht verfahrensfehlerhaft zu Lasten unseres Mandanten urteilte.


Soweit die Revision feststellt, dass das Urteil auf einem Verfahrensfehler beruht, wird es das Verfahren an eine andere Strafkammer beim Landgericht Bonn zurückverweisen oder aber gleich an ein anderes Landgericht im Oberlandesgerichtsbezirk Köln, wenn und soweit der festgestellte Verfahrensfehler so gravierend ausfallen sollte, dass nicht auszuschließen ist, dass die Verfahrensrechte unseres Mandanten nicht anders gewahrt und geschützt werden können.


Unser besonderes Augenmerk in der Revision gilt dabei der Vorschrift des § 243 Absatz 4, Satz 1 StPO, wonach der Vorsitzende Richter die Pflicht hat, mitzuteilen, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Dies vor dem Hintergrund, dass das Gericht mehrfach zu Protokoll erklärt hatte, es habe keine Absprachen gegeben; andererseits jedoch sowohl das Gericht wie auch die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf den Angeklagten Sch, die rechte Hand des Hauptangeklagten, glatt auf zwei Jahre Freiheitstrafe mit Bewährung erkannt bzw. beantragt hatten und der Angeklagte Sch wie auch die Staatsanwaltschaft unmittelbar nach der mündlichen Urteilsverkündung zu Protokoll ihren jeweiligen Rechtsmittelverzicht erklärten.


Und dass vor dem Hintergrund, dass das Gericht Absprachen mit unserem Mandanten - wie dargestellt - von unzumutbaren Bedingungen, nämlich seiner Einlassung ohne bereits die Schutzwirkung nach § 257c Absatz 4, Satz 3 StPO zu genießen, abhängig machte und ohne dass auch keine Rechtsgespräche nach § 257b StPO führen wollte.



Für jede Revision gibt es allerdings auch drei strikte Grundsätze zu beachten:


1.

Die beste Revision ist die, die nicht geschrieben werden muss. Denn die Erfolgsquote von Angeklagtenrevisionen im Sinne von einer Urteilsaufhebung liegt - soweit der BGH als Revisionsgericht entscheidet – über die Jahre hinweg bei etwa 3%. Darin wird deutlich, wie gering die Chance ist, ein für fehlerhaft gehaltenes Urteil in der Revision vor dem BGH zur Aufhebung zu bringen.


2.

Was in der Hauptverhandlung nicht gesät wurde, kann in der Revision nicht geerntet werden. Die Verteidigungsaktivitäten in der Hauptverhandlung bestimmen maßgeblich die Erfolgsaussichten der Revision bei Verfahrensrügen. Sofern keine Anträge gestellt wurden, die das Gericht hätte fehlerhaft bescheiden können, kann auch keine Rüge erhoben werden. Sofern ein notwendiger Verwertungswiderspruch nicht rechtzeitig erhoben oder kein Gerichtsbeschluss gemäß § 238 Absatz 2 StPO beantragt wurde, ist eine möglicherweise ansonsten erfolgversprechende Rüge präkludiert. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, man müsse nur einen „Revisionsspezialisten“ mit der Revisionsbegründung beauftragen, dieser werde dann schon das Urteil zu Fall bringen.


Der kleinste Fehler macht die Revision unzulässig. Das Revisionsverfahren ist ein streng formalisiertes Verfahren, bei dem Frist und Formverstöße leicht zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels führen können. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Erhebung von Verfahrensrügen, bei denen besonders hohe Anforderungen an den Vortrag nach § 344 Absatz 2 Satz 2 StPO gestellt werden.


Unter Beachtung dieser Grundsätze und zum Themenkomplex §§ 243, 257c StPO führten Frau Rechtsanwältin Adrijana Blazevska und Herr Rechtsanwalt Philipp Berger in der Vergangenheit bereits erfolgreich vor dem Oberlandesgericht Dresden, 2 OLG 23 Ss 469/14, eine Angeklagtenrevision.