"Baumafia-Prozess" in Bonn, 29 KLs 05/14 Landgericht (LG) Bonn

Im sogenannten Baumafia-Prozess in Bonn -29 KLs 05/14- Landgericht Bonn, wird am Dienstag, 23. Dezember 2014, voraussichtlich das Urteil gefällt. Alle sieben Angeklagten haben sich im Prozessverlauf zu den Tatvorwürfen umfassend eingelassen. Ende Oktober hatte das Gericht - auf Antrag der Staatsanwaltschaft - die Tatvorwürfe gegen einen Mitangeklagten bereits vorläufig - gegen Ableistung von Sozialstunden - nach § 154 Absatz 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt und die Anklagevorwürfe gegen die verbliebenen Angeklagten nach § 154a Absatz 2 StPO beschränkt auf die Tatbestände §§ 266a Strafgesetzbuch (StGB), 263 StGB sowie 370 Abgabenordnung (AO), um das Verfahren insgesamt zu vereinfachen und zu verschlanken.

Nach der ursprünglichen Anklageschrift sollten die Angeklagten Schwarzarbeiter auf Baustellen beschäftigt und dadurch - durch 317 Einzeltaten - Steuern und Sozialabgaben in Höhe von sechseinhalb Millionen Euro hinterzogen haben. Fraglich ist, wie das Gericht in seinem Urteil die Tatbeiträge der einzelnen Angeklagten bewerten und wie hoch es den tatsächlich verursachten Schaden beziffern wird. Denn anders als der Finanzverwaltung ist es dem Strafgericht grundsätzlich - wegen des in dubio Grundsatzes - verwehrt, den strafrechtlich verursachten Schaden durch bloße Schätzungen hoch- bzw. auszurechnen.

Tatsächlich zwingt der in dubio Grundsatz das Strafgericht bei jeder Zweifelsfrage, die nicht durch Tatsachen zu belegen ist, die für die Angeklagten günstigere Variante anzusetzen. Konkret bedeutet das, dass sich der Schaden erheblich verringern und im Ergebnis weniger als drei Millionen Euro betragen wird. Und das wiederum hat direkte Auswirkungen auf den konkreten Schuldspruch.

Nicht zuletzt diesem Umstand ist es geschuldet, dass der Haftbefehl gegen den Haupttäter inzwischen außer Vollzug gesetzt wurde, so dass er bereits Anfang Dezember aus der Untersuchungshaft entlassen wurde und das Ende des Prozesses als freier Mann in Ruhe abwarten kann.

Rechtlich am schwersten einzuordnen sein werden die Tatbeiträge der anderen Angeklagten. Diese sind allesamt wegen Beihilfe (§ 27 StGB), also Hilfeleistungen, angeklagt. Hilfeleisten meint jegliches Verhalten, dass die Chancen auf den Taterfolg in irgendeiner Art und Weise erhöht, indem es die Begehung der Tat ermöglicht oder erleichtert und erfordert in subjektiver Hinsicht einen sogenannten doppelten Gehilfenvorsatz.

Das Gericht muss also in Bezug auf die Gehilfen jeweils Vorsatz (§ 15 StGB) hinsichtlich der teilnahmefähigen Haupttaten (Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen / Betrug in besonders schweren Fällen / Steuerhinterziehung) sowie hinsichtlich des jeweiligen Bestimmens zur Tat nachweisen ohne dass vernünftige Zweifel dem entgegenstehen.

Hierin lag ein Schwerpunkt der Verteidigung von BLAZEVSKA & Partner:

Unser Mandant sollte - laut Anklageschrift - eine Art Personalvorstand des gesamten Unrechtssystems gewesen sein. Diesen Vorwurf hat die Beweisaufnahme jedoch nicht bestätigt. Nach den Zeugenaussagen der anderen, nicht der Beihilfe angeklagten Büroangestellten dürfte wohl nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass unser Mandant Handlungen erbracht hat, die für den tatbestandsmäßigen Erfolg der Haupttaten kausal waren. Also ohne die die Haupttaten nicht hätten verübt werden können. Vielmehr hat unser Mandant stets - auf Weisung seines Vorgesetzten (dem Haupttäter) sogenannte geschäftsneutrale Handlungen vorgenommen. Und auch wenn unser Mandant selbst immer sicher wüsste, dass sein Arbeitsentgelt brutto gleich netto, also nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend, an ihn ausbezahlt wurde, erlaubt das alleine wohl keinen sicheren Rückschluss darauf, dass unserem Mandanten auch der gesamte Unrechtscharakter des Systems der "Bau-Mafia" bekannt und bewusst war, wie es aber für den doppelten Gehilfenvorsatz erforderlich wäre.

Neutrale Beihilfehandlungen werden erst seit etwa 15 Jahren als ernsthaftes Problem des Strafrechts wahrgenommen, doch lassen sich die Wurzeln des Diskurses zumindest bis 1840 zurückverfolgen, als der Österreicher Josef Kitka problematisierte, wie es sich verhält, wenn ein Waffenhändler einem Mörder ein Terzerol verkauft, es ihm dabei jedoch ausschließlich auf seinen Geschäftsgewinn ankommt (in: „Über das Zusammentreffen mehrerer Schuldigen bei einem Verbrechen und deren Strafbarkeit“).

Sollte das Landgericht Bonn unseren Mandanten zu einer Strafe von mehr als 90 Tagessätzen verurteilen, werden wir dies zum Anlass nehmen, das Verfahren insgesamt durch das Rechtsmittel der Revision beim 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) überprüfen zu lassen. Dort und nicht in Bonn werden die großen rechtstheoretischen Fragen gelöst. Frau Rechtsanwältin Adrijana Blazevska und Herr Rechtsanwalt Philipp Berger führten die Verteidigung des angeklagten Mandanten.