OLG Köln zur Beiordnung eines Verteidigers des Vertrauens

Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 344/14, Beschluss vom 26.06.2014

-Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK; § 137 StPO; § 142 Absatz 1 StPO; § 296 StPO-

Anspruch des Beschuldigten auf Beiordnung eines Rechtsanwalts seines Vertrauens als Pflichtverteidiger

 


§ 142 Absatz 1 Satz 2 Strafprozessordnung (StPO) gibt dem Beschuldigten das Recht und die Möglichkeit, sich gegenüber dem Staat und seinen Untergliederungen von einem Verteidiger seines Vertrauens vertreten zu lassen. Allein der Ablauf der gesetzlichen Benennungsfrist kann dem Beschuldigten dieses Recht nicht nehmen, denn die Benennungsfrist stellt keine Ausschlussfrist dar.

Deshalb muss das Gericht dem (verspäteten) Wunsch des Beschuldigten, einen Rechtsanwalt seines Vertrauens beigeordnet zu bekommen, auch dann noch Rechnung tragen, wenn die durch das Gericht bestimmte Benennungsfrist verstrichen ist und infolgedessen das Gericht bereits dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger - nach Ermessen des Gerichts - ausgesucht und beigeordnet hat. Dies gilt auch dann, wenn bereits Außenwirkung hinsichtlich der Beiordnung des nicht vom Beschuldigten benannten Pflichtverteidigers hergestellt wurde; jedenfalls dann, wenn eine Rücknahme dieser Bestellung nach § 143 StPO noch möglich ist, ohne dass weitere Kosten verursacht werden. Das gebiete die gerichtliche Fürsorgepflicht als Ausfluss des Grundsatzes eines fairen Verfahrens (vergleiche: BGH 1 StR 781/96 Urteil vom: 17. Juli 1997)

In dem konkreten - durch das OLG Köln als Beschwerdegericht zu entscheidenden - Fall hatte das Landgericht Bonn (Wirtschaftsstrafkammer) am 4. Juni, zwei Tage nachdem die einwöchige Benennungsfrist abgelaufen war, für den Angeschuldigten einen Pflichthauptverteidiger sowie eine weitere Verteidigerin ausgewählt und ihm beide jeweils durch Beschluss beigeordnet. Noch am selben Tag - jedoch nach Dienstschluss im LG Bonn - hatte der Angeschuldigte die Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Philipp Berger als Hauptverteidiger und Frau Rechtsanwältin Blazevska als weitere Verteidigerin beantragt.

Unter Hinweis darauf, dass die Bestimmungsfrist bereits abgelaufen sei und dass das Gericht bereits andere Verteidiger als Pflichtverteidiger des Angeschuldigten bestellt habe, wurde der Antrag am 5. Juni zurückgewiesen. Die durch Herrn Rechtsanwalt Philipp Berger erhobene Beschwerde hatte vor dem OLG Köln - wie eingangs dargestellt - Erfolg.

 


Zum Hintergrund des Normendschungels Pflichtverteidigerbestellung/  -auswahl:

§ 142 Absatz 1 StPO gibt dem Beschuldigten grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf die Bestellung einer bestimmten - von ihm ausgewählten - Person als Verteidiger. Vielmehr soll die Norm im öffentlichen Interesse gewährleisten, dass ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf gesichert ist und dass ein Beschuldigter - in den vom Gesetz genannten Fällen - rechtskundigen Beistand erhält.

Die Auswahl des Verteidigers liegt daher grundsätzlich im Ermessen des Vorsitzenden. Allerdings ist dessen Ermessen unter Beachtung der durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgestellten Grundsätze dahingehend eingeschränkt, dass bei der Auswahl des Verteidigers auch dem Interesse des Beschuldigten, von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigt zu werden, ausreichend Rechnung getragen werden muss. Grundsätzlich soll der Beschuldigte mit der Beiordnung des Verteidigers seines Vertrauens demjenigen gleichgestellt werden, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat (BVerfG, Beschluss vom: 16.12.1958, 1 BvR 449/55).

Deshalb soll der Beschuldigte nach § 142 Absatz 1 Satz 2 StPO Gelegenheit erhalten, einen Rechtsanwalt zu benennen; diesen muss der Vorsitzende dann gemäß § 142 Absatz 1 Satz 3 StPO beiordnen, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen. Das Ermessen kann auf Null reduziert sein.

Die Vorschrift in § 142 Absatz 1 Satz 1 StPO entbindet den Vorsitzenden insbesondere nicht von der gebotenen Interessenabwägung im Einzelfall, sondern gibt in deren Rahmen lediglich ein gesetzlich normiertes Regelbeispiel für einen wichtigen Grund im Sinne von § 142 Absatz 1 Satz 2 StPO.